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Schrott wird flott

Teil 1: Der Roco-G 10

Von Erik Meltzer <ermel@modellbahnfrokler.de>. Zuerst veröffentlicht in Hp1 Modellbahn 2/2005.

Zu hoher G 10
Bild 1: Im Vordergrund der Roco-G 10, wie er aus der Schachtel kommt; dahinter das Ergebnis dieses Umbauvorschlags. Zum Vergrößern aufs Bild klicken

In diesem Artikel (und weiteren, die in loser Folge erscheinen sollen) möchte ich Euch ein paar Umbauten an H0-Güterwagen vorstellen, die dreierlei gemeinsam haben: sie sind recht fix erledigt, optisch lohnend und beziehen sich auf Modelle, die auf unseren Arrangements häufig zu finden sind und sicher nicht nur mir dort Augenschmerzen verursachen.

Der Güterwagen an sich ist auf der Modellbahn ein oft vernachlässigtes Gefährt. Und auch bei uns werden nach wie vor Güterwagen eingesetzt, die Fehler haben, die bei Reisezugwagen oder gar Loks die sofortige Ausmusterung des Modells, wenn nicht gar die schamhafte Verleugnung zur Folge hätten, sowas je besessen zu haben. Das Wort "Qualität" ist in letzter Zeit viel strapaziert worden, das ist wahr; aber auch (einigermaßen) maßstäbliche Güterwagen gehören dazu, nicht nur schöne Räder und Herzstücke. Doch genug der Vorrede.

In dieser Folge soll es um den Roco-G 10 (bzw. G Kassel/München/Karlsruhe der DRG und G 04/05 der DR; im Folgenden verwende ich der Einfachheit halber aber nur die DB-Bezeichnung) gehen; sicher gibt es schlimmere "Modelle", auch auf Fremo-Arrangements, aber kaum eins, dessen Fehler deutlicher und aufgrund der Verbreitung von Vorbild wie Modell häufiger ins Auge springen. Schön, wie er ansonsten ja ist, ist nämlich der Roco-G 10 leider satte 2 mm zu hoch. Und zwar nicht Dachkante über Schienen, was ja tolerabel wäre und auch leicht zu ändern, sondern Dachkante über Wagenkasten-Unterkante: der Wagenkasten ist in sich zu hoch! Ob und wenn ja was sich Roco dabei gedacht hat, ist Spekulation; daß man's auf den ersten Blick sieht, mag Bild 1 veranschaulichen. Man achte vor allem auf die Proportionen der Tür.

Beheben läßt sich das relativ einfach, indem wir das fünfte Brett von oben raussägen – dann stimmt zwar die Brettanzahl nicht mehr, aber das merkt keiner. An Werkzeug wird idealerweise ein Kreissägeblatt oder eine Trennscheibe im Bohrzwerg benötigt (notfalls tut's aber auch eine vorsichtig gehandhabte Roco-Säge), ein Skalpell o.ä. und ein Bogen Schleifpapier. Der Materialbedarf beschränkt sich auf ein bißchen Kunststoffplatte, Klebstoff und Farbe.

Bernhard Domin hat im bunten Hp1 Nummer 11 (Heft 2/99) einen Artikel veröffentlicht, der diesen Umbauvorschlag beschreibt; ich möchte mich hier nicht mit fremden Federn schmücken, sondern nur erreichen, daß die zu hohen Roco-Wagen weniger werden, ohne selber Dutzende davon umbauen zu müssen. Allerdings hat Bernhard Domin das fünfte Brett von unten rausgeschnitten. Dann muß man aber die Endfeldverstrebungen neu bauen und das Hauptanschriftenfeld neu machen; einmal hab ich das durchgezogen (der linke Wagen in Bild 1 ist das Ergebnis), aber für öfter war mir das zuviel Aufwand, daher dieser einfachere Vorschlag. So umgebaute Wagen haben dann zwar eigentlich zu hohe Endfeldverstrebungen, aber das kann ich tolerieren – 100%ig gleich waren die auch beim Vorbild nicht alle. Und die wegfallenden Teile der Lade- und Lüftungsöffnungen tolerieren wir alle an allen anderen Modellen, also warum nicht hier?

Mach ihn flach!

Sägen Zerlegen läßt sich der Wagen mit ein wenig Gewalt durch Ziehen am Fahrgestell; er zerfällt in drei Teile, von denen uns zunächst nur das braune interessiert. Die werkseitig montierten Zurüstteile, sprich Griffstangen und Signalhalter, lassen sich einfach abziehen (und aufbewahren!). Sodann setzen wir die Säge an und trennen den Wagenkasten in der Mitte des fünften Bretts von oben, also direkt unterhalb der Lade- und Lüftungsöffnungen, umlaufend in zwei Teile.

Sägen Beide werden dann auf einer mit Schleifpapier bespannten planen Unterlage abgezogen. Das Wagenkastenteil in die eine Hand, die andere hält das Schleifpapier, und dann locker ohne viel Druck aus dem Ellenbogengelenk und immer wieder prüfen, wieviel Material bis zur nächsten Bretterfuge noch bleibt. Genau dort, in der Fuge, wird nämlich die Trennkante der Teile liegen. Mit etwas Geduld und Vorsicht ist der span(n)ende Teil in einer Viertelstunde gegessen, und die Wagenkastenteile passen spaltfrei und mit einer Bretterfuge aufeinander, die sich von den anderen kaum unterscheidet. Notfalls hilft etwas Spachtel, die Lücken zu füllen, und das Nachritzen der Bretterfuge geht in Spachtel auch viel leichter als in Plastik.

Gesägt, tun getan Zum Verkleben der Teile brauchen wir die oben erwähnte Kunststoffplatte: sie dient als rückseitige Verstärkung der Klebestelle. Am besten klappt das, wenn wir die passend zurechtgeschnittenen Platten zunächst mit einer Wagenkastenhälfte verkleben, dann die andere draufsetzen und von innen den Kleber hinter die Platte laufen lassen. Keinesfalls sollten die Schnittflächen der Wagenkastenhälften direkt Kleber abbekommen: der drückt sich nach außen und verdirbt die Bretterfuge! Während der Kleber abbindet, können wir ja schon mal das Dach von silbermetallic in grau oder sandfarben umlackieren.

Restarbeiten

Eventuelle Spachtelstellen und Kleberspuren können mit dem Pinsel übermalt werden – die G 10 waren zu Epoche-3-Zeiten mindestens 40 Jahre alt, eine Neulackierung können wir uns da getrost sparen, wenn nicht gerade ein frisch vollaufgearbeiteter Wagen dargestellt werden soll.

Die Griffstangen passen auch nicht mehr alle ohne weiteres ans umgebaute Modell, weil ihre Löcher entfallen sind. Macht aber nix -- neue Löcher bohren ist ja kein Akt. Besser noch kommen aber aus 0,4-mm-Draht gebogene neue Griffstangen; dabei kann man dann auch gleich Rocos Vereinfachung an der Seite mit den Signalhaltern korrigieren. Roco hat hier nämlich eine Griffstange mit drei Haltern eingebaut, die es so nicht gegeben haben dürfte. Beim Vorbild gab's hier zwei Varianten, die Bild 2 am unlackierten Modell zeigt: die untere Griffstange entweder lang und gerade oder kürzer und gekröpft. Die Modelle sind (in derselben Reihenfolge, von links) der hier beschriebene Roco-Umbau und zum Vergleich ein Märklin-Wagen.

Stirnseiten
Bild 1: Links der Roco-Umbau, rechts zum Vergleich ein Märklin-G 10, beide mit neuen Griffstangen und Signalhaltern. Man beachte bitte die unterschiedliche Anordnung der Griffstangen: beide haben ein Vorbild. Zum Vergrößern aufs Bild klicken

Die Signalhalter hat Roco nur an einem Wagenende angebaut. Wer Lust hat, kann die andere Seite entsprechend aufrüsten, nötig ist dies aber nicht – beim Vorbild gab's beides. Ob man die Roco-Signalhalter weiterverwendet oder Messinggußteile anbaut, ist ebenfalls Geschmackssache. Wichtig ist nur, daß zu einem Signalhalter immer auch die Tritte und Griffe gehören, die der Rangierer braucht, um da auch eine Laterne reinzuhängen. Am Wagenende ohne Signalhalter reicht demnach ein Rangierertritt und ein Eckgriff, nämlich an der rechten Ecke; auch die Tritte über den Puffern sind hier überflüssig. Die Griffstange kann man ganz nach Geschmack so kurz machen wie bei Roco oder so lang wie die nichtgekröpfte am Signalhalter-Ende.

Wer noch ein Übriges tun will, kann die Profile an den Stirnseiten abschleifen und durch richtige U-Profile ersetzen. Die waren beim Vorbild ab etwa dem 2. Weltkrieg mit der offenen Seite nach innen (also zueinander) befestigt, vorher mit der offenen Seite vom Wagen weg. Unbedingt erforderlich ist das aber m.E. genausowenig wie freistehende Türgriffstangen, Federpuffer, gegossene Rangierertritte und was einem noch so alles Schönes einfallen mag.

Was aber zu tun bleibt, ist das Fremo-Standardprogramm, so noch nicht geschehen: Altern, Festlegen der Kupplungskinematik, Radsatz-Innenmaß überprüfen und ggf. einstellen, Fleischmann-Bügelkupplung in den ggf. verkürzten NEM-Schacht, Wagengewicht auf 60 bis 80 Gramm erhöhen, Wagen umnummern, kennzeichnen und Wagenkarte basteln. Fertig! Ein fast perfekter Fremo-G 10 steht vor uns. Wer mehr als einen Roco-Wagen hat, stelle einen der naturbelassenen daneben und versuche, sich einzureden, der Umbau sei nicht lohnend. Wetten, daß das nicht klappt?

Wagen mit Bremserhaus

Seit letztem Jahr gibt's den Roco-G 10 auch mit Bremserhaus, in der Epoche-3-Version sogar mit dem sehr typischen gekürzten solchen. Den Maßfehler hat indes auch dieses Modell. Es läßt sich ergo auch in derselben Weise umbauen; das Bremserhaus selbst ist auch maßhaltig, der Höhenüberschuß sitzt in der Aufstiegsleiter. Ob man da mit Kürzen wegkommt oder die neubauen muß, weiß ich erst, wenn ich mein Modell zersägt habe. Einen zweiten davon kauf ich mir aber nicht, zumindest nicht zum Normalpreis – das Ding ist schön, aber zuviel Arbeit fürs Geld.

Alternativen

Wer liefert sonst brauchbare G 10 in Großserie? Das Angebot ist zwar quantitativ ansehnlich, aber qualitativ durchwachsen: Fleischmanns Wagen wirkt ein klein wenig zu wuchtig, da er in der Breite eher 1:85 ist und auch zu hoch auf dem Rahmen sitzt; Märklin hat an den Bremserhauswagen Korbpuffer und viel zu dicke Achshalter sowie an allen Wagen zu wuchtige Türlaufschienen, liefert vor allem aber den nicht-handgebremsten Wagen mit dem viel schöneren Fahrwerk leider nicht im Normalprogramm (den handgebremsten gab's da zumindest mal, im aktuellen Katalog sind G 10 aber nur als Auslandsmodelle in Sets zu finden); und Rocos altes Billigmodell hat statt der Tritte ein falsches Sprengwerk, abstehende Bremsbacken und eine typisch österreichische Verstrebung, aber leider keine dazu passende ÖBB-Beschriftung. Besser (im Sinne von weniger auffällig schlecht) als das neue Roco-Modell sind diese Wagen aber trotzdem allemal, und alle lohnen auch den Umbau in ordentliche DB-Modelle.

Außerdem liefert Piko ein zwar geringfügig zu kurzes, aber recht schönes Modell eines preußischen Flachdachwagens (aus DDR-Produktion auch mit stimmigen Achshaltern, seit der Wende leider deutlich verschlimmbessert), Fleischmann ein neukonstruiertes Spitzenmodell desselben Vorbildes (aber mit Fachwerkachshaltern und Aufstiegstritten bis zum Dach) und Trix ein maßhaltiges Modell eines bayerischen Flachdachwagens, an dem allenfalls die Holzmaserung stört. All diese Wagen liefen bei der Deutschen Reichsbahn als G Hannover/Stettin und können in der frühen Epoche 3 noch als G 02 der DB bzw. G 03 der DR eingesetzt werden. Ein Umbau des Piko-Wagens in einen G 10 erscheint mir aber wegen der Verkürzung als weniger lohnend, der des Fleischmann- oder Trix-Wagens als viel zu aufwendig.

Wirklich abraten möchte ich nur vom Liliput-"Modell": es ist deutlich verkürzt und allenfalls nach Umbau als Gw Magdeburg der Deutschen Reichsbahn oder Gw 01 der DB bzw. Gw 02 der DR zu gebrauchen.

Was kann man sonst aus dem Roco-G 10 machen? Naja: vom Offensichtlichen – einem Xf 19 (Flachwagen) nämlich – abgesehen nicht viel. Das ist aber durchaus eine Überlegung wert: Aufbau weg, neuer Wagenboden aus Bleiblech mit eingeritzten Bretterfugen und Einfassung mit L-Profil, Beschriftung, fertig. Und das Fahrwerk des Roco-Wagens ist ja wirklich wunderschön und kommt so auch prima zur Geltung. Falls sich also tatsächlich jemand versägt hat bei diesem Umbau: keine Bange, für ein so schönes Fahrwerk findet sich immer eine Verwendung, notfalls verkauft es halt mir. Also: ran, Freunde! Es kann nicht zuviele G 10 geben auf unseren Arrangements. Aber laßt die zu hohen bitte mir zuliebe trotzdem zumindest bis zum G-Wagen-Mangel in der Kiste.


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Zuletzt bearbeitet am 18. Dezember 2005